Vom Segeln und wie weiter...
- angelika
- Jul 2, 2021
- 4 min read
Updated: Jul 4, 2021
Also mit dem Segeln ist das so eine Sache. Hauptschwierigkeit: Es ist praktisch unmöglich, nicht ins Pseudo-Philosophische abzudriften. Ich werde das Unmögliche trotzdem versuchen und ganz nüchtern den Ablauf einer Segelfahrt schildern. Los geht’s.
Also, bevor man lossegelt, legt man sein Ziel fest. Man muss wissen, wohin man will. Dann schaut man, woher der Wind weht. Entsprechend der Windrichtung erstellt man einen Plan. Unter anderem stellt man fest, in welchem Abschnitt man gar nicht segeln kann, weil man dort genau im Wind stehen und deshalb nicht vorwärts kommen würde (das Segel flattert, weil der Wind links und rechts daran vorbeigeht, ohne es zu füllen, ergo dümpelt man auf der Stelle rum).
Wenn der Plan steht, setzt man die Segel und düst los. Man behält sein Ziel stets im Auge, muss aber gleichzeitig für Kursänderungen bereit sein, weil sich der Wind immer wieder ändert. Man ist also fokussiert, aber nicht stur. Steuert man verbissen immer gerade aufs Ziel zu, wird man eher nicht dort ankommen. So viel zu den leichten, häufiger auftretenden Kursanpassungen.
Dann kann es sein, dass es starke Änderungen gibt, weil sich der Wind um 180 Grad dreht und man plötzlich Upwind (gegen den Wind) segelt, obwohl man doch gerade noch Downwind (in Windrichtung) gesegelt ist. Dann versteht man erst einmal die Welt nicht mehr und sagt Dinge wie „Ja, aber gerade eben noch war das ganz anders“, „Was ist denn jetzt passiert?“ oder auch nur „Hä???“ (yep, O-Ton Heinz, also alles, nicht nur das Hä). Statt sich zu ärgern oder in Aktionismus zu verfallen muss man innehalten, die Segel etwas flattern lassen, die neue Windrichtung bestimmen, sich wieder einen Plan zurechtlegen und dann die Segel entsprechend setzen. Alles in Ruhe (oder wie Douglas Adams sagen würde „Don’t Panic“), denn das Schöne ist, dass im Prinzip nichts passieren kann. Schlimmstenfalls steht man wie Sid, das Faultier, ein bisschen sinnlos im Wind und es vergeht etwas Zeit, bis man sich neu orientiert hat. Man kann den Wind nicht zwingen, man kann nur die Segel neu setzen. Dann kann es auch schon weitergehen, immer die Segel und das Ziel im Auge („The sails tell you everything!“, O-Ton Natasa).
Man kann im Grunde auch ohne Plan Segeln. Dann geht man ohne Ziel einfach nach der „Trial and Error“-Methode vor. Man macht und entweder funktioniert es oder nicht. Gewisse Grundsätze sollte man aber auch bei dieser Methode einhalten, zum Beispiel die anderen Verkehrsteilnehmer nicht rammen etc. So oder so kommt auch beim Segeln - wie auch im Eintrag „Wer eine Reise tut...“ geschrieben - am Ende immer alles gut. Es sei denn, es scheint die Sonne auf das Schwert, dann macht der Skipper was verkehrt (Schwert ist an der Unterseite des Bootes und der Spruch natürlich geklaut).

Das war jetzt - wie versprochen - die grobe Skizze einer Segelfahrt, ohne jeden Hintergedanken. Ich schwöre. Wer da mehr reininterpretiert, ist selber Schuld.
Ansonsten sind wir enorm unphilosophisch unterwegs. Seit wir in Herceg Novi sind, sind wir nur am Fussball schauen (sehr gut gemacht, Österreich; noch besser gemacht, Schweiz), am Essen, am Segeln, am Schnorcheln, mal am Kajakfahren und ab und zu am Wäsche waschen. Wenn man ein halbes Jahr reist, kann man nicht immer kulturell und so. Wir haben noch nicht einmal die Altstadt von Herceg Novi gesehen, aber was wir sonst so gesehen haben, ist sehr herceg. Nur schon, dass hier Cocktails Kokteli heissen, ist einfach super herzig. Allerdings tun sie das natürlich nicht nur in Herceg Novi, sondern in ganz Montenegro.
Was wir weniger herzig finden ist, dass wir immer noch auf unsere Segel-Lizenz aus Kotor warten. Die montenegrinischen Mühlen scheinen eher langsam zu mahlen. Wir brauchen die Lizenz aber, um ein Boot zu chartern und würden deswegen gerne weiterziehen, nach Kroatien. Da ist die Bootsauswahl grösser. Es ist nicht so einfach, an ein Boot zu kommen, das man ein, zwei Tage mit Skipper und dann eine Woche ohne haben kann. Es gibt die Boote meist nur entweder mit oder ganz ohne. Beides geht aber für uns nicht. Natasa und Ilija sind zwar ziemlich zufrieden mit uns - zumindest haben wir gestern Abend den Abschluss unseres Basiskurses gefeiert und sogar ein Diplom erhalten - aber so ganz alleine auf ein Boot, das wir nicht kennen... lieber mit Supervisor am Anfang und erst danach alleine los, gerne eben mit demselben Boot, so dass wir doch schon ein bisschen vertraut wären damit. Wir wollen eh nicht gleich über den Atlantik, nur der Küste entlang und bisschen Inselhopping.
Aber selbst das Automieten wird immer schwieriger. Für Kroatien haben wir noch nichts Vernünftiges gefunden. Corona ist nach unserer Wahrnehmung irgendwie ziemlich vorbei. Das Reisen scheint sich wieder der Normalität anzunähern.
Abschliessend können wir sagen, dass unser Ziel zwar klar ist (Boot chartern in Kroatien), aber die Segel bringen wir anscheinend nicht richtig zu setzen. Wir stehen wohl grad etwas im Wind. Wie weiter. Hm. Mal schauen, ob sich die nächsten Tage da noch etwas Zielführendes tut. Ewig haben wir dafür aber nicht mehr Zeit. Unsere Reise geht bald zu Ende. Die Heimkehr ist auf den 26.07. geplant.
PS: Bisher haben wir die Fussballspiele in unserem traumhaften Apartment auf montenegrinisch angeschaut. Heinz hat aber auch hier wieder einen Trick gefunden, um sie auf Deutsch anzuschauen. Mir fehlt aber der montenegrinische Kommentator fast schon mit seinem „Centarschut!“ (das sagt er immer, wenn ein Ball ins Zentrum geschossen wird) und seinen A‘s am Schluss, Baumgartnera und Sommera etc. Aus Manuel Neuer hat er sogar Manuela gemacht.
PPS: Wir sind uns nicht ganz sicher wegen dem Montenegrinisch. Uns wurde auch schon gesagt, dass das eine sinnlose Bezeichnung sei. Eigentlich sei es Serbisch und das Montenegrinisch nur ein Dialekt bzw. sogar dasselbe. Wäre das also so, wie wenn Liechtenstein seinen Dialekt als eigene Sprache qualifizieren würde? Also Liechtensteinisch statt (Hoch-)Deutsch? Wir wissen es nicht. Wir sagen einfach immer „Hvala puno“ (Danke sehr) und alle freuen sich. Ich glaube, wir sprechen es richtig aus, wie das Tier, Koala, mit einem puno hintendran. Jedenfalls hoffen wir das. Vielleicht kommt das breite Lächeln aber auch weniger vom Erfreut sein als vielmehr vom Amüsement über unsere Aussprache, geht mir nun durch den Kopf? Hm. Auch das wissen wir nicht, aber egal. Hauptsache Smiley.
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