Besser spät als nie
- angelika
- Oct 8, 2022
- 4 min read
Ach ja, Teil 2 der Geschichten aus dem Inselland…das ging ja ruckzuck, Pardon.
Tatsächlich sind mir glaub schon ein paar Geschichten entfallen, aber eine werden wir wohl nie vergessen. Wir wollten von Sansibar aufs Festland, Mwanza. Das ist oben beim Viktoriasee, über 1000 km Entfernung. Deshalb sollte es per Flieger gehen. Wenn wir gewusst hätten, dass unser Taxifahrer eigentlich ein Formel 1-Pilot ist, wären wir gleich mit dem Taxi nach Mwanza gefahren. Ich bin noch nie so schnell von A nach B gekommen, aber auch selten so schnell von „Alles okay“ zu „Oh Shit“.
Unsere Tickets waren entwertet worden (voided). Zu deutsch: Sucht euch ein anderes Flugzeug, wohin auch immer. Das war leichter gesagt als getan, denn es war Abend und der Flughafen von Sansibar gab nicht mehr allzu viel her. Er gehört halt nun mal auch nicht zu den Grössten seines Fachs. Dank eben dieses Umstandes wusste aber bald das gesamte Personal von unserem Pech. Wir hatten im Büro der Station Managerin hin- und her diskutiert und gesagt, dass wir auch nach Arusha fliegen würden statt nach Mwanza. Ein Mitarbeiter stürmte plötzlich herein und sagte, dass nun doch noch ein Flug ginge. Überraschung. Zu dritt rannten wir los, samt unserem Gepäck natürlich. Irgendwann mussten wir dem Mann 200 USD in die Hand drücken, natürlich. Als wir völlig ausser Atem ankamen, galt es zunächst einmal die Gepäcksklappe für unsere Koffer nochmals zu öffnen, weil das Flugzeug eigentlich schon in der Luft war. Ein paar verdutzte Gesichter später sassen wir drinnen, auf den besten Plätzen. Wer zuletzt eincheckt, lacht am besten oder schnauft am lautesten oder wie ging das nochmal.
Jedenfalls wurde ich nach der ersten Euphorie bei der unverständlichen Durchsage des Kapitäns doch wieder etwas unruhig. Alles, was ich verstand, war „Salaam“ oder so. Von Arusha hörte ich irgendwie nichts. Heinz meinte, das passt schon. Salaam oder so sei nur der Name der Fluggesellschaft, also alles okay. Name der Fluggesellschaft, alright, aber irgendwie hätte ich auch gerne wenigstens einmal den Namen unseres Bestimmungsortes gehört. Nach einigem Drängen lehnte sich Heinz also schräg nach hinten rüber zum einzigen Stewart unserer Flugzeugs und fragte höflichst: „Excuse me, Sir, where is this flight going to?”. Das Gesicht des Stewarts sehe ich heute noch vor mir. „To Dar Es Salaam, Sir“. „Not to Arusha?“ Nach erneutem kurzem Sammeln die sehr professionelle Gegenfrage: „Well, Sir, what does your ticket say?”. Durchaus berechtigte Frage, wie ich finde. Trotzdem ziemlich unangenehm für Leute, die kein Ticket haben. Heinz hielt ihm etwas desillusioniert die zwei Papierstreifen entgegen, die wir erhalten hatten. Der Stewart klärte uns auf, dass das Gepäckstreifen seien, keine Tickets. „So, well, we don’t have Tickets.” Daraufhin fing auch der Stewart an, ganz angestrengt zum Fenster hinauszuschauen, als ob es da draussen etwas ungeheuer Interessantes zu sähen gäbe, so wie ich das längst tat. Er einfach nach links, ich nach rechts. Heinz schaute geradeaus und der Rest der umsitzenden Passagiere zu uns. Es war ziemlich still im kleinen Flieger. Unnötige Randnotiz: Nach unserem wirklich bemerkenswerten Taxifahrer kam uns das Flugzeug tatsächlich irgendwie langsam vor. Könnte aber auch an der geschilderten Situation gelegen haben. Man weiss es bis heute nicht. Jedenfalls kamen wir später in Mwanza an als gedacht, aber eben, besser spät als nie.
Also ich mein zu unserer Verteidigung: Wie hätte der sehr engagierte Flughafenmitarbeiter auch ein Gerät dabei haben sollen, um für die 200 USD zwei Tickets auszudrucken. Das auch noch während wir gerannt sind wie ein Rudel Vögel Strausse (Vogel Sträusse?). Wobei physische Tickets schon drinliegen müssen hätten, zumal der Flug nur etwa 20 Minuten gedauert hat und sonst wahrscheinlich 50 USD kostet oder so. Damit war dieser Flug nicht nur der orientierungsloseste, sondern wohl auch unser teuerster Flug ever. ABER: Wenn man es schafft, sogar den chagalabagala gewohnten Tansaniern das Gesicht entgleiten zu lassen und sie sprachlos zu machen, dann war es das wert. Chagalabagala oder Shagalabagala ist Suaheli und bedeutet so etwas wie „Chaos, Durcheinander“ und beschreibt gewissermassen das das normale Leben dort. Schweizer würden sagen Chrüsimüsi, auch wenn es in der Schweiz wahrscheinlich weniger Chrüsimüsi gibt als Chagalabagala in Tansania.
Das Bild vom Foto haben wir auf Sansibar gekauft. Ist Tingatinga, eine Kunstform, die in den 60ern in Tansania entstanden ist. Und sie heisst so, weil ihr Begründer so hiess, Edward Saidi Tingatinga, was nur gerecht ist.
Beim Kauf wusste ich das alles noch nicht. Das Bild hat mich einfach magisch angezogen. Normalerweise kaufe ich keine Gemälde. Dass daraus auch eine Kinderserie gemacht wurde, spricht wohl Bände. Interessanterweise reagieren bei uns zuhause denn auch ausschliesslich Kinder auf das Bild. Bis jetzt nur zwei Erwachsene. Deren Namen verraten wir nicht. Dafür den Rahmen (und was sich reimt, ist gut). Den haben wir bei Roman Wohlwend am Schellenberg ausgesucht und unser tansanisches Kunstwerk auch dort rahmen lassen. Das hat er gut gemacht, wie ich finde. Und wir auch, wie ich ebenfalls finde.
Übrigens noch eine schöne Nachricht: Rania aus Alexandria (siehe dortigen Blogeintrag) heiratet im November und sie hat uns zu ihrer Hochzeit eingeladen. Im November hat uns also das wunderbare Ägypten wieder. Was sich so alles aus einer Reise ergeben kann. Ich liebe reisen. Habe ich das schon erwähnt.
PS: Ich wollte das schon lange mal irgendwo mitteilen, fand aber nie einen passenden Ort. Das habe ich nun immer noch nicht, schreibe es aber trotzdem, nicht zuletzt, weil ich PS: einfach liebe.
Frage: Wie kann man erkennen, auf welche Seite der Tanksäule man sein Auto hinfahren muss?
Antwort: Beim Bildchen der Tanksäule im Cockpit des Autos ist ein Pfeil dran. Die Richtung, in die der Pfeil zeigt, ist auch die Richtung, wo sich der Tankdeckel befindet. Unglaublich. Also ich meine unglaublich, dass ich 45 werden musste, um das zu erfahren. Heinz hat es mir gesagt. Hätte er auch mal früher machen können. Allerdings hätte er es auch später machen können. Insofern war es wohl schon irgendwie rechtzeitig. Um den Titel nochmals zu bemühen: Besser spät als nie. Und übrigens spielt es gar keine Rolle, denn die Tankschläuche sind lang genug, dass man auch tanken kann, wenn man auf der falschen Seite steht. Woher ich das weiss? Tja.
PPS: Wir haben anfangs September beide das Bodenseeschifferpatent (Segel und Motor) gemacht und Heinz noch den SBF See (Motorboot fürs Meer). Somit verfügen wir nun in Ergänzung zu unserer „kind of a license” von Montenegro auch noch über „a license“. Es wird also langsam mit unserer Segelkarriere.

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